Donnerstag, 31. Oktober 2013

Der Fußbodenbelag des politischen Parketts

Mir drang zu Ohren, dass jemand die Handarbeitsthemen in meinem Blog - nun ja, eher belächelte. Wenn man sich nicht für Derartiges - Handarbeiten, Inneneinrichtung etc. - begeistere, sind solche Themen angeblich nicht von Belang.
Vor zwei Tagen habe ich über meinen ovalen Balkonteppich berichtet, der fürs nächste halbe Jahr nach drinnen ins Warme gezogen ist. Und ich möchte zeigen, dass er weit mehr ist als nur ein fußsohlenschmeichelnder Bodenbelag.

Vorweg die technischen Details.
Nach dem Verbrauch diverser Tüten Stoffstreifen aus unterschiedlichen Second-Hand-Läden in Göteborg hat der Teppich bisher die stolzen Ausmaße von 205 x 105 cm und ist trotzdem ohne Weiteres in einer herkömmlichen Waschmaschine waschbar. Er könnte gern noch ein wenig an Größe zulegen, wenn ich geeignete Stoffreste auftreiben kann. Fragt mich nicht wie viele Rollen Garn er außerdem geschluckt hat. Das hatte ich vorher ja gar nicht auf dem Schirm. Dafür muss man wirklich ne günstige Quelle finden, wenn man sich an die Produktion eines solchen Monstrums macht.

Dieser Teppich ist aber weit mehr als Stoff und Garn. Er mag auf den ersten Blick ganz unschuldig aussehen, manch einer würde auch "öko" oder "hippiemäßig" sagen, auf den zweiten entpuppt er sich allerdings als höchst politisches Objekt. 
Zuerst finde ich, dass Inneneinrichtung etwas ist, das nun wirklich jeden betrifft, der ein Dach über dem Kopf hat (was bei den anstehenden Temperaturen hoffentlich möglichst viele sind). Also erzählt mir nicht, Teppiche gingen euch nichts an. Die Farben sind natürlich Geschmackssache, keine Frage.


Es ging auch nicht vorrangig darum ein hübsches, buntes Chichi für meinen Balkon zu machen. Es geht darum Dingen, die schon als Müll kategorisiert waren, einen Wert und eine Bedeutung zurückzugeben. Es fasziniert mich, was man alles mit 2 Händen aus vermeintlichem Schrott machen kann. Recycling ist mehr als Materialien wiederzuverwenden. Ich bin es leid, dass man bei "Recycling" oder "Öko" immer sofort an filzhaarige Kommunler in Schafwollpullis denkt. Die Leute bezeichnen mich als Hippie? Fein. Das seh ich wohl kaum als Beleidigung. So ein Teppich ist die Antwort auf die so oft verdammte Konsumgesellschaft. Wir leben im ständigen Überfluss und sind Firmen ausgesetzt, die sich an uns ne goldene Nase verdienen. Was die Leute darüber nicht ständig meckern! Also die, die wenigstens noch ein bisschen denken. Aber auch bei denen reicht das meistens trotzdem nicht aus selbst aktiv zu werden. Was kann man selbst schon bewirken. Also lehnt man sich zurück und tut lieber gar nichts.

Für mich muss es nicht immer neuwertig sein (ausser Unterhosen - da hab selbst ich ne Grenze). Weil ich es hasse billig in Asien produzierte Dinge teuer zu kaufen. Weil viel zu schnell viel zu viel weggeschmissen wird. Kaufen wir neu, ist ja egal, kostet ja nichts. Und weil es mich immer wieder erstaunt was Andere so als "Müll" bezeichnen. Mann, was wir schon alles für Schätze im Sperrmüll und in Containern gefunden haben...


Am Montag hatten wir in der Schule echt ne Diskussion über umweltfreundliches Verhalten. Es ging ums Wassersparen, das Mindesthaltbarkeitsdatum auf Lebensmitteln und das Kompostieren von Essensresten. Die anderen finden mich seither wohl noch freakiger als zuvor. Urgs, ich benutze das Badewasser meines Mannes .... esse 'abgelaufene' Lebensmittel ..... kaufe benutzte Klamotten. Und zu allem Überfluss finde ich es nicht eklig Kompost zu verwenden. Kompost!! Das Zeug, das aus Speiseresten gemacht wird!! *würg* Es gibt wirklich Menschen, bei denen ich mir nicht sicher bin, ob die wissen woher das Obst und Gemüse im Supermarkt kommen. Da lässt sich jedes Familienmitglied ne eigene Badewanne ein, weil man sich mit dem 'dreckigen' Wasser des geliebten Familienmitglieds ja nicht saubermachen kann. Ich meine, ich möchte nun wirklich nicht mit meinem Nachbarn dasselbe Badewasser benutzen, aber ist es nicht was anderes bei Mann und Kind? Wie seht ihr das? Immerhin scheuchen wir die nackige Katze nach uns durch die Wanne und nicht andersrum. ;) Meine Fresse, wir haben solche Luxusprobleme! Anderswo würde das halbe Dorf in derselben Wanne baden und hinterher würden sicher nicht wenige auf die Idee kommen das Wasser noch zum Kochen zu verwenden.
Ich kenne Leute, die keine Pflanzen in ihrer Wohnung haben, weil die zu viel Dreck machen. Die ihre Freunde nicht danach auswählen, ob sie nett sind oder nicht, sondern ob der Abfluss des Gästewaschbeckens geputzt ist. Die immer ein Auge darauf haben, wann der Nachbar das letzte Mal seine Fenster geputzt hat und wehe das ist länger als 4 Wochen her! Ohne Scheiß.

Übrigens kamen wir auch auf Veganismus zu sprechen, und nach all dem ungläubigen Gefrage ("Du isst keinen Fisch? Und auch keine Milch? Und Butter?? ...  Was isst du denn dann überhaupt???") passierte das, was ja eigentlich immer passiert - man überdenkt nicht die Gründe, die der Andere für sein Verhalten vielleicht haben mag, sondern sucht nach seinen Fehlern. Ich wurde also sofort auf meine Lederschuhe festgenagelt, damit man ja nicht darüber nachdenken muss, ob ich nicht mit den traurigen Mama- und  Babykühen, den Massenschlachtanlagen, den überfischten Meeren und den Millionen toten, männlichen Küken eventuell vielleicht ein klitzekleines bisschen Recht haben könnte. :D Hach ja, Menschen...

Dann kann man also letztendlich feststellen, dass ich hier den ganzen Tag politisch verdammt aktiv bin. Wer hätte das gedacht.

14 Kommentare:

  1. Vielen Dank für diesen tollen Post, du sprichst mir aus der Seele. Inzwischen überlege ich ernsthaft den Job zu wechseln, weil ich keine Grossmütter mehr sehen kann, die für drei Radiergummis drei Plastiktüten haben wollen, damit auch jeder Enkel eine eigene hat. Und ich stecke genug komische Blicke ein für meine Stofftaschentücher und Jutetaschen. Aber das ist mir egal, ich fühle mich gut dmait. Gleichzeitig muss sich jeder selbst fragen, wie weit er gehen will, wie kann man bewusst leben, sich dabei wohlfühlen und sein schlechtes Gewissen eingrenzen? Bei mir ist das zum Beispiel Vegetarismus statt Veganismus, zumindest was essen angeht. Zudem kaufe ich lieber qualitativ gute Lederschuhe (gerne auch gebraucht) als vegane Schuhe aus Erdöl, gleiches gilt für Wolle.
    Prinzipiell finde ich, dass alleine mit Nachdenken schon viel erreicht ist. Sobald die Leute nicht mehr einfach nur tun, sondern ihr Handeln hinterfragen, wird ja ein Prozess in Gang gesetzt. Und wenn ich den starten kann indem ich die Bücher nicht einfach in eine Tüte steck sondern gezielt frag, ob sie es nicht auch so nehmen könnten, ist für mich schon etwas erreicht.

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  2. Upcycling ist für mich total wichtig geworden, auch um meinem Kleinen zu zeigen, was man alle aus "vemeintlichem Müll" noch machen kann. Das ist weder Hippi noch Öko sondern einfach nur logisch!

    Aber in einer Gesellschaft in der das neueste Iphone wichtiger ist als ein netter Gesprächspartner am Esstisch wird kaum seine Scheuklappen ablegen ...

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  3. Ich bin ehrlich gesagt etwas irritiert von den Leuten, die dir sagen, deine Handarbeiten usw. wären nicht von belang das würde keinen interessieren.

    1. Wenn es *die* nicht interesseiert, sollen sie doch bitte das tun, was sie wahrscheinlich eh am besten können: weggucken.

    und 2. Ja, dass das alles seine Berechtigung hat und einfach nur mal neutral betrachtet werden müsste, dass man diese auch bemerkt - das hast du ja schon ausführlich dargelegt. Aber das würde das watteweiche Weltbild einfach ins Wanken bringen ... *seuftz

    Lass dich davon nicht ärgern! Du weißt, warum du es tust und wir wissen es auch und dein Kind wird es auch wissen. Das ist doch gut. :)

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  4. @Palandurwen: Ich ärger mich doch über solche Kommentare auch gar nicht. Nicht jeder interessiert sich für Deko und so Zeug. Ich wollte nur einfach zeigen, dass es nicht *nur* Deko und Gebastel ist, sondern dass da durchaus auch was anderes dahinter steckt. Es ist für mich völlig okay, dass sich nicht jeder fürs Handarbeiten interessiert. ;)

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  5. Ich finde es auch etwas irritierend, dass dir jemand steckt, das die Handarbeits-/DIY-Themen in deinem Blog nicht so relevant sind. Ich meine, is doch dein Blog. ^^
    (und ich lese die Sachen wahnsinnig gern, gerade auch wegen dem re- und upcycling Aspekt!)

    Mach weiter so! :D

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  6. Es ist doch nicht so gemeint, dass die Themen für meinen Blog nebensächlich seien, sondern für diejenige Person. ^^

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  7. Ich finde, Kreativität ist vor allem praktisch O.o Aber dafür muss man halt seinen Kopf gebrauchen, was viele heutzutage zu anstrengend finden. Wegschmeißen und neu kaufen ist viel einfacher. Da einige meiner Freundinnen eben diese Denkweise haben, bin ich schon oft an viele tolle Sachen gekommen. Witzigerweise klagen genau diejenigen dann über Geldmangel. Ich werd dann komisch angeguckt, wenn ich sage, dass ich auf Shoppingdiät bin oder ich ernte mitleidige Blicke a la "warum der Stress?", wenn ich von selbst gemachten Sachen erzähle (das sind zwar die wenigsten, aber es kommt vor). Dass so was auch Spaß machen kann, können sich viele nicht vorstellen. Und das gute Gefühl, wenn etwas fertig ist, ist einfach unbezahlbar.
    Ich find gut, was du machst. Und ich finds schade, dass es zu viele Leute gibt, die eine andere Meinung/einen anderen Lebensstil schon fast als Angriff werten.

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  8. Ich verstehe nicht, warum jemand etwas liest was für denjenigen nicht von Belang/Interesse ist und warum muss man das kundtun - ich finde das verletzend!
    Ich finde es toll und auch sehr schön!!! was du alles mit deinen eigenen Händen und der Benutzung deines Kopfes im Zusammenspiel entstehen läßt! Und ebenso gut finde ich es auch immer wieder alte, gebrauchte Ressourcen zu verwenden - wieso denn auch nicht ?! Nebst dem Umweltgedanken habe auch ich nicht Geld im Überfluß, weshalb also sollte ich nicht auch etwas altes sinnvoll und für mich schön weiterverwenden ? Davon ab ist es auch einfach ein schönes, sinnvolles Hobby indem viele schöne Dinge entstehen und tausenmal besser als immer mit der Nase an der Glotze festzupappen und den Hintern immer breiter zu sitzen !!! Ich habe neulich auch auf dem Spermüll eine alte Kiefernholzkommode gefunden und eingesackelt, da sie die perfekten Maße für meinen Flur/Schuhe hat (finde ich nirgends für erschwinglich) und habe viel Spaß dabei sie abzuschleifen, zu reparieren und neu "einzukleiden" - nach meinem Geschmack und freue mich einfach sehr darüber! Im Endeffekt ist das wie mit dem Kinderüberraschungsei, ich erfülle mir selbst drei Wünsche aufeinmal ;-)(Umweltgedanke, Spaß am Werkeln und auch meine finanziellen Ressourcen sind geschont).
    Ich will deine schönen Arbeiten auch weiterhin sehen, deswegen besuche ich ja deinen Blog hauptsächlich!

    Lg, die Erdkröte

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  9. PS: Und wenn ich mir mit meinen Mann nicht auch das Badewaser teilen könnte, dann hätte ich ihn nicht geheiratet ;-)!

    Ich finde es auch gut das du auch mal neue Sachen ausprobierst z.B. dich vegan zu ernähren (ich bin Fleischesser) und das zeigt eben auch eine Offenheit/Interesse für andere Lebensweisen und ich finde eben auch nicht das man jedem Lebensstil total verfallen muss mit Scheuklappen auf den Augen (das gilt auch für meine eigene Lebensweise), ein guter Ansatz/Beginn ist viel wert!
    Ich bin auch dazu übergegangen (und ich kam aus einem Haushalt mit täglich Fleisch auf´m Teller) nicht jeden Tag Fleisch zu essen und zumindest bewusster damit umzugehen/einzukaufen und bin ebenso der Meinung das unser größtes Problem der tägliche Fleischverzehr ist - Sturheit auf beiden Seiten wird zu nichts führen, allerdings glaube ich eben an einen freundlichen , offenen Austausch der die Menschen wohl am ehesten dazu bringt aufeinander zuzugehen!
    Ich hab´z.B. so meine Schwierigkeiten mit manchen! Veganern die sich ein fleischfressendes Tier halten und ihm dann aber vegane Kost aufzwängen - das empfinde ich als fanatisch und nicht tiergerecht,davon ab das im Dosenfutter eh´kein Filet steckt, sondern all´die Sachen die die wenigsten Menschen noch selbst essen wollen - Herz, Leber, Niere usw. - das würde nämlich ansonsten ohne Tiernahrung einfach tonnenweise verbrannt werden - deswegen würde aber der Fleischkonsum trotzdem nicht aufhören.
    Somit denke ich viele Lebensweisen sollten eben gut SELBST durchdacht sein, damit sie wirklich sinnvoll sind!
    Ansonsten mag ich Menschen eben wenn ich sie mag und da ist es vollkommen zweitrangig ob sie Veganer, Schwarz, weiß, gelb oder kariert (Hauptsache nicht kleinkariert sind) sind auch unter Menschen gibt es ein Leben und Leben lassen ;-) und nix´ist besser als ein gutes, tolerantes Gespräch miteinander, denn genau dieses schweißt Menschen zusammen und bringt sie und ihre Themen einander näher - geht aber nur auf Augenhöhe ;-)

    Lg, die Erdkröte

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  10. Sehr gut!
    Hätte ich ne Badewanne, würde ich auch das Badewasser teilen :-)
    Aber dafür nutze ich das Wasser aus der Wärmflasche als Gießwasser, he he.
    Es gibt ja auch Menschen die sich nach Hunderassen erkundigen, die nicht haaren wegen der Möbel.
    Also DAS find ich strange.
    Wir sind doch cool unterwegs find ich!
    Grüße
    *lila*

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  11. @erdkröte: jetzt bleibt mal alle ganz locker hier :) - so ernst und kritisch meinte ich den post gar nicht. es ist doch schon, wenn menschen, die vll gar nicht so sehr an meinem gewerkel interessiert sind, den blog trotzdem lesen und auf den einen lesenswerten artikel im jahr warten. ;) bleibt mal ganz locker, jeder hat andere interessen und nicht jeder mag diy-strickpullis und flickenteppiche. und verletzend war diese äusserung nie gemeint und so hab ich es auch nicht verstanden. leben und leben lassen, leute. ;)
    was ich allerdings gar nicht witzig finde, sind carnivoren, die vegan ernährt werden. DAS ist tierquälerei. deren argument ist, dass katzen gewisse stoffe brauchen (z.b. das oft beschworene taurin), dass es denen aber egal sei wie sie daran gelangen. also füttern sie mit taurin angereichertes veganes futter. das finde ich widerlich. menschen sind keine fleischfresser, das zeigt unser ganzer körperbau, und deswegen können menschen auch ohne weiteres vegan essen. die katze hat sich ihren carnivorismus aber nicht ausgesucht. jeder veganer, der WIRKLICH so streng mit allem ist, sollte sich überhaupt keine tiere halten, denn JEGLICHE tierhaltung im haus ist nicht artgerecht, das muss man einfach so klar sagen. halten sie sich katzen, die raus ins freie kommen, ginge das aber meiner ansicht nach - weil man ner katze kaum verbieten kann draussen ihrem jagdtrieb nachzugehen und sich ihr essen selbst zu beschaffen, ganz so wie es ursprünglich vorgesehen war.
    ich muss ehrlich sagen, dass ich über so was damals nicht nachgedacht habe, als ich mir sushi geholt habe. heute habe ich deswegen ein schlechtes gewissen und ich würde sie gern rauslassen, aber unsere wohnungen waren dazu leider immer ungeeignet.

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  12. DIY IST politisch! Auch wenn mich nicht alles interessiert, was Du hier produzierst. Aber: Reparieren statt fortschmeißen, selber machen statt unreflekiert konsumieren etc. heißt den tatsächlichen Wert der Gegenstände kennen zu lernen und ist noch dazu ein emanzipativer Vorgang. Und dazu gibt es mittlerweile haufenweise Literatur, Repaircafés usw. Also: weiter so!

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  13. Und genau davon handelte der Post. :D

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  14. Also ich lese deine Handarbeitsposts gerne und bin immer etwas peinlich berührt, dass ich nicht mal einen Bruchteil deiner Produktivität besitze. ;-)
    Das Badewasser meiner besseren Hälfte würde ich nicht so gern weiterbenutzen, ein Drama wäre es aber auch nicht. Aber da wir eh nur eine Dusche haben... ;-)

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